Jedes Jahr, Anfang Dezember, poste ich das Spektakel auf verschiedenen Social Media-Kanälen und jedes Jahr, Anfang Dezember, erhalte ich die gleichen verständnislosen (dafür größtenteils vorwurfsvollen) Kommentare, die ich dann umgehend lösche, weil mir jede weitere Auseinandersetzung damit zu blöd ist.
Der Konsens dieser Kommentare:
Man stellt den Baum frühestens einen Tag vor Weihnachten auf. So ist das schon immer gewesen. Alles andere ist falsch und überhaupt wird der Baum ja garantiert schon am 3. Advent nicht mehr schön aussehen.
Wie gesagt, ich diskutiere da in der Regel nicht rum, sondern bewahre mit meine weihnachtliche Heimeligkeit, indem ich als Alleinherrscherin über meine Social Media Kanäle alles lösche, was mir nicht passt. (Zensur? Aber hallo!) Deshalb muss ich eigentlich auch gar keinen Blogpost zu dem Thema schreiben. Eigentlich.
Uneigentlich sitze ich nun aber bereits seit einiger Zeit vor meinem geschmückten Bäumchen und denke darüber nach, wieso es ausgerechnet bei Weihnachtstraditionen solch einen clash gibt, der eigentlich vollkommen freundliche Leute dazu verleitet, das weihnachtliche Verhalten anderer zu verurteilen. Wenn Weihnachtstraditionen aufeinander prallen gibt es für viele (oder fast jeden) ein Richtig und ein Falsch und oft ist man schnell dabei, das „Falsche“ herabzusetzen.
Ich nehme mich da selbst nicht aus, in mir schlummert ein ziemlich großer Christmaszilla, der jedes Mal hulkartig erwachen und schreien möchte, wenn etwas gegen meine Weihnachtstraditionen geht.
Wir verbringen Weihnachten eigentlich immer bei meinen Eltern, wo der Baum natürlich erst am 24. geschmückt wird.
Bescherung gibt es erst nach dem Essen (Kinder waren und sind kein Grund für eine Ausnahme).
Die Geschenke sind mir wichtig, auch das Zelebrieren des Auspackens. (Einer packt aus, alle anderen gucken zu. Immer einzeln. Kein Chaos. Nur das Geschenkpapier wird zerfetzt, weil meine Mutter es sonst bügelt. Ja, auch sowas ist eine Tradition!)
Das Essen ist mir wichtig. (Gehoben-klassisch, aber kein Chichi. Mindestens 3 Gänge. Dessert wird nach der Bescherung auf dem Sofa serviert. Kein Kartoffelsalat und Würstchen-Style! Kein Raclette, kein Fondue!)
Ihr seht: Ich bin, wenn es an meine Weihnachtstraditionen geht, genauso unflexibel wie viele andere, vielleicht sogar mehr. (Letztes Jahr hatte ich einen mittelgroßen Nervenzusammenbruch inkl. Tränen und Ich feier nicht mit, weil es Raclette gab. An Weihnachten! Raclette! An Weihnachten! Ich glaub‘ es hackt! Geschmolzener Käse zum Selberkochen. An Weihnachten! Nein, nein, nein! Dieses Jahr habe ich vorsichtshalber die Kontrolle über das Essen an mich gerissen.)
Wenn jemand beispielsweise sagt, dass es nur etwas ganz Simples zu essen gibt, dass es keinen Baum gibt, dass es keine oder wenige Geschenke gibt, oder dass die Bescherung vor dem Essen stattfindet, muss ich innerlich oft kurz mit meinem Christmaszilla ringen. Ich sage mir dann, dass es bei Weihnachtstraditionen keine richtigen und keine falschen gibt, und atme tief durch.
Das ist nicht immer leicht, schließlich ist so ein Christmaszilla ganz schön groß, aber so ist es:
Jeder hat bzw. entwickelt eigene Traditionen, die gleich wichtig sind. Da kann man nicht dran rütteln. Falls sie im real life aufeinanderprallen, müssen oder sollten sie natürlich bestenfalls irgendwie in einem Kompromiss verwurstet werden. In allen anderen Fällen gibt es keinen Grund, die Traditionen von anderen zu bewerten oder herabzusetzen, egal wie bekloppt sie einem vielleicht vorkommen.
Das muss der innere Christmaszilla halt lernen.
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