Ende Oktober 2017 übernahmen wir unser Haus, Ende November zogen wir ein und so ungefährt ab Weihnachten schallte uns von allen Seiten eine Frage entgegen: Habt ihr euch denn schon eingelebt?
Ich fand die Frage von Anfang an total doof, ich wusste nur nicht genau wieso. Ich war zunächst der Meinung, dass ich mich gar nicht einleben müsse, weil sich mein Leben ja nicht groß ändern würde. Gut, ich wohnte jetzt an einem anderen Ort, aber hatte sonst ja keine großen Veränderungen: Job, Region, Entfernung zu Freunden und Familie – alles blieb im Wesentlichen gleich. Dass ich meine geliebte Aussicht auf das Hinterhofchaos gegen eine Weitsicht auf Wiesen, Felder und den Schwarzwald tauschte, sollte auch kein Problem sein.
Erkenntnis am Autobahnkreuz Karlsruhe
Keine Überraschung: Natürlich musste ich mich trotzdem einleben. Das wurde mir aber erst klar, als ich Ende Februar immer noch jedes Mal (!) heulte, wenn ich auf dem Heimweg von der Arbeit die andere Überleitung fuhr. Offenbar wurde mir täglich am Autobahnkreuz Karlsruhe klar, dass sich doch etwas geändert hatte – und in Wirklichkeit eben nicht nur der Fahrtweg und die Aussicht.
Dorfkulinarik
Eigentlich hatte sich sogar ziemlich viel geändert, wenn ich ehrlich bin, und da mir Veränderungen oft schwer fallen, hatte ich ziemlich zu kämpfen. Irgendwann ließ das Heulen im Auto nach, dafür schmeckte dann der Döner am neuen Wohnort nicht. Das mag trivial klingen, weil ich ja auch was anderes essen kann, aber wenn man 8 Jahre nur 150m vom besten Dönerladen entfernt gewohnt hat, ist das ein ganz schöner Schock. Aber auch dafür fanden wir eine Lösung: Der Döner im Nachbarort schmeckt! Ziemlich gut sogar, aber ich bin noch nicht bereit zuzugeben, dass er besser ist als unser alter Dönerladen.
Apropos Essen – es war ja nicht nur der Döner. Als ich zum ersten Mal hier auf dem Land die Liefer-App öffnete, heulte ich fast. Die Anzahl der Lieferdienste war nur ein winzigkleiner Bruchteil von dem, was ich gewohnt war, und 90% davon hießen 123 Bella Pizza Super Blitz oder irgendwie so. Inzwischen habe ich gelernt diesen Umstand zu umarmen und bestelle mein indisches Essen jetzt halt beim italienischen Lieferdienst. (Und es schmeckt!) Außerdem lernten wir von unseren Nachbarn, dass die beste Pizza im Ort gar nicht per App zu bestellen ist und dass man sie in Salatsoße gedippt isst. In diesem Punkt haben wir uns voll integriert!
Leben mit Hund und Leichenwagen
Was ich zunächst auch verdrängte: Gleichzeitig mit unserem Umzug, zog ja auch Nobby ein, was eine riesige Veränderung in unserem Leben war. Natürlich zu 99,9% eine gute und zu 100% eine, die wir nicht bereuen. Aber es änderte sich mit ihm eben noch mehr, aber ich glaube, er half uns auch. Durch ihn kennen wir zumindest die hundebesitzenden Nachbarn ein bisschen vom Sehen und erfahren hier und da mal Neuigkeiten. Ich habe zwar weiterhin kein Interesse daran, mich groß ins Dorftratsch-Business zu integrieren, aber ein bisschen was will man ja doch mitkriegen. Falls ihr ein Haus sucht: Ich kann gerne mal fragen, wo zuletzt der Leichenwagen stand. (Makaber, aber das Wohngebiet befindet sich gerade im Generationenwechsel und viele Häuser gehen nie auf den öffentlichen Markt.)
Habt ihr euch denn nun eingelebt?
Und wie sieht es jetzt aus? Ich finde, wir haben uns ganz gut eingelebt. Klar wurde mir das, als wir im Juni unseren Bankberater wieder sahen und er auch meine (ehemalige) Hassfrage stellte. Ich brach nicht in Tränen aus, sondern erzählte, dass es jetzt so langsam passiert sei: Wir hatten uns eingelebt. Wir genießen die Vorteile und arrangieren uns gut mit den Nachteilen. Dass ich im Winter mein neues Auto dann mit Rastatter Kennzeichen bekomme, macht mir trotzdem Angst.
goodbye and fernwell,
Miriam
5 Comments
Hi Miriam,
11. Oktober 2018 at 11:44bin letztes Jahr im Dezember von der Stadt aufs Land gezogen.
Obwohl wir im sogenannten „Speckgürtel“ wohnen ist alles ganz schön anders. Hatte erst mal einen Kulturschock. Statt Hochhäusern plötzlich freie Sicht und Schafe direkt nebenan. Anfangs hatte ich noch dazu kein Auto, fühlte mich irrsinnig eingesperrt.
Die Frage „UND? Eingelebt?“ löste in mir immer nur ein großes Fragezeichen aus. Lebe ich mich denn bald ein?
An die längere Fahrtzeit in die Stadt habe ich mich noch nicht gewöhnt, die Kebappizza von nebenan geht mir noch ab, aber sonst… Ja, bei mir wird’s auch langsam. Man muss ja nichts überstürzen 😉
Liebe Grüße, Simone
Ich bin mal gespannt, ob es bei uns in einem Jahr auch so sein wird. Wir bauen ein Haus u ziehen wenn alles klappt im August nächsten Jahres um.Lieferdienste haben hier jetzt schon kaum obwohl wir nicht mal 10 min von der Stadt wohnen, aber halt nicht mehr zum Stadtkreis zählen. Freunde u Familie sind weiter weg aber ich freue mich auf einen Garten, keine Nachbaren über Dir die sich nachts wachhalten. Mal schauen wie wir uns einleben.
7. Oktober 2018 at 10:39Die Vorteile habe ich trotzdem die ganze Zeit gesehen, auch während die Umstellung und das Einleben für mich sehr schwierig war. Es ändert sich halt doch immer vieles, wenn man umzieht.
7. Oktober 2018 at 13:45Ich hab dich garantiert auch gefragt. Für mich dauert es nämlich immer auch ein bisschen, bis eine neue Wohnung (Haus bestimmt noch mehr, allein weils größer ist?!) sich so richtig nach daheim anfühlt. Es ist halt alles in und um den Wohnort noch nicht richtig vertraut, nur weil man sein Bett rein gestellt hat, ganz egal ob man die Veränderungen, die so drum herum noch mitkommen nun mag oder nicht. Ich finde deine Beobachtungen aber super spannend! Und wenn ich meine pro und contra Land Liste fertig hab, komm ich bestimmt mal auf die Sache mit den Leichenwagen zu sprechen 😉
7. Oktober 2018 at 09:08Ich glaube fast jeder hat gefragt. Es ist ja auch eine berechtigte und nette Frage. 🙂
7. Oktober 2018 at 09:14Dass ich mir selbst nicht eingestehen wollte, dass ich mich einleben muss, war blöd, aber ich bin jetzt ja auf einem guten Weg.
Und ja, nach Leichenwagen kann ich auf jeden Fall Ausschau halten!