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what the fern / Mein Haus ist sexistisch

what the fern: Millennials, die Häuser für Hunde kaufen

Mein Haus hat eigentlich niemanden etwas getan. Es steht am Rand eines mittelgroßen Dorfs, ziemlich ruhig an einem Fußweg, direkt neben einem anderen Haus. Eine Doppelhaushälfte aus den 1970ern, wie sie nicht unscheinbarer sein könnte. Und dennoch hat dieses Haus ein Geheimnis, das ich aufgedeckt habe: Mein Haus ist sexistisch.
Sein Sexismus fällt nicht sofort auf, aber da wir nun schon 9 Monate miteinander leben, das Haus und ich, ist er unübersehbar. Er betrifft auch nicht das ganze Haus, sondern vor allem die Küche. Ja, im Grund haben wir vorwiegend eine sexistische Küche.

Damit ihr mir folgen könnt, muss ich kurz erklären wie die Raumverteilung im Erdgeschoss aussieht – schließlich kann ich jetzt nicht alle kurzfristig einladen. Zum Glück ist der Grundriss auch sehr Standard: Man kommt durch die Haustür in den Flur, an dessen Ende die Tür zum Wohnzimmer ist. Direkt links am Eingang ist die Gästetoilette, rechts die Küche. Ein paar Meter weiter geht es rechts in den Essbereich, der offen an das Wohnzimmer anschließt. Das war es auch schon.

Unsere sexistische Küche

Unsere Küche hat einen quadratischen Grundriss und ist etwa 10 Quadratmeter groß. 10 sexistische Quadratmeter! Wieso sexistisch? Ich verrate es euch.

Kittchen statt Kitchen: Einzelhaft

Die Raumaufteilung in unserem Haus ist darauf ausgelegt, dass die Person, die die Bewohner des Hauses mit Essen versorgt, sich allein darin aufhält. Es gibt keinerlei Möglichkeit mit Personen, die sich im Wohn- und Essbereich aufhalten, zu kommunizieren. Einzelhaft, sozusagen, auch wenn der Gefängnisvergleich ein bisschen drastisch ist, weil das Fenster nicht vergittert und die Tür natürlich nicht verschlossen ist. Geschlossen sollte sie aber sein, sonst kommt man nämlich nicht an wichtige Schränke. Also doch Einzelhaft.

Allein das soll sexistisch sein? Ich finde: Ja. Denn, wenn wir mal von der Rollenverteilung ausgehen, die vorherrschte (und leider ist das Präteritum hier mehr Wunsch als Realität), war die Person in der Kücheneinzelhaft eine Frau und diese Rolle gesellschaftlich vorgeschrieben.

Ha! Sexistische Küche! Ich höre es euch rufen!

In der Kücheneinzelhaft bereitet die gute Ehefrau das Essen vor, spült das Geschirr ab und bereitet vor, während ihr Ehemann im Wohnzimmer sitzt und Zeitung liest. Damit dieser Mann sich nicht gestört fühlt von den dreckigen Tellern und den Gerüchen und Geräuschen der Essenszubereitung, ist es unabdingbar, dass die Küche in einem abgeschlossenen Raum ist. Seine Ruhe, vor oder nach dem anstrengenden Arbeitstag als Familienoberhaupt und Brötchenverdiener, ist heilig.

Ich übertreibe? Vielleicht. Aber ich will euch ja auch verdeutlichen, wieso dieses Haus und seine Küche sexistisch sind. Vielleicht fragt ihr euch auch, wieso ich nicht einfach meinen Mann mit in die Küche lasse – auch das verrate ich euch: Es ist unmöglich! Die Küche ist auf Einzelhaft ausgelegt.

Fahrlässige Körperverletzung und Totschlag

10 Quadratmeter sind natürlich nicht die Welt, aber ausreichend für eine Küche, in der auch mal zwei Personen kochen können. Das wissen wir, unsere alte Küche hatte eine sehr ähnliche Größe und war gleich geschnitten. Trotz ausreichender Größe und geeignetem Grundriss ist dies in unserer sexistischen Küche nicht möglich: Die Arbeitsfläche erlaubt es nicht, denn davon gibt es sehr wenig. Zusätzlich verläuft dieses bisschen Platz über Eck, was der Einzelhaftfrau erlaubt, sehr bequem uns schnell alles zu erreichen: Kühlschrank, Herd, Spüle – alles liegt dicht zusammen und ist mit wenig Aufwand erreichbar. Solange man alleine ist.

Diese Anordnung macht es gleichzeitig unmöglich zu zweit irgendwas zu machen. Das kann sogar böse enden. Sobald man sich umdreht, herrscht Mord und Totschlag. Oder zumindest fahrlässige Körperverletzung. Neben relativ harmlosen Zusammenstößen gab es schon Verbrennungen, versehentliche Messerstiche, die nur knapp ins Leere gingen, und verschiedene Abstürze von Speisen und Küchengeräten.

Reißt Wände und das Patriachat ein

Ende des Jahres werden wir umbauen. Flur, Bäder, Küche. Natürlich freuen wir uns auf eine neue Optik, ohne 70er Jahre Fliesen und mit einer Walk in Dusche. Am meisten freuen wir uns aber, dass wir unsere sexistische Küche los werden. Wir öffnen sie zum Essbereich. Nicht komplett, weil uns zu viel Stellfläche verloren ginge, aber mit einem Durchgang, der die Küche als Lebensraum erschließt und ihren sexistische Einzelhaft-Charakter der Vergangenheit angehören lässt.

Smash the walls and the patriarchy!

goodbye and fernwell,

Miriam

 

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